Donnerstag, 13. Juni 2013

Platero und ich, Teil 3

Auch wenn mein drittes Kunstwerk immer noch nicht fertig ist ... ich liege in den letzten Zügen ;-) ... so will ich euch schon die dritte Geschichte von dem sanften, kleinen und wuschelhaarigen Esel Platero erzählen.

Eine Geschichte passend zu unserem Frühling, der keiner werden wollte.




Schwalben

 Da siehst du sie, Platero, die kleinen schwarzgefiederte, quirlig, quicklebendig, in ihrem grauen Nest überm Bild der Muttergottes von Montemayor, einem Nest, das keiner je angetastet hat. Die Unglückselige wirkt verstört. Ich glaube, diesmal haben sie sich getäuscht, die armen Schwalben, wie sich in der letzten Woche die Hühner getäuscht haben, die sich in ihrem Schlag verzogen, als die Mittagssonne um zwei sich plötzlich verfinsterte. Der Frühling hat dieses Jahr den koketten Einfall gehabt, sich früher als sonst aus den Federn zu erheben; aber fröstelnd hat er seine zarte Nacktheit wieder verbergen müssen im Wolkenbett des März. Es tut weh, mit anzusehen, wie die jungfräulichen Rosenblüten des Orangenhains in der Knospe verwelken!

Sie sind schon da, Platero, die Schwalben, doch man hört sie kaum; nicht so wie in früheren Jahren, wo sie gleich am Ankunftstag alle begrüßten, alles neugierig inspizierten, unaufhörlich schätzelnd in ihrer wirbeligen Schwirrschnipselsprache. Den Blumen erzählten sie alles, was sie in Afrika gesehen; berichteten von ihren zwei Überseereisen, wie sie übers Wasser geflitzt, mit dem Flügel als Segel, die Wellen ritzend oder im Takelwerk eines Schiffes sitzend; sie schilderten andere Sonnenuntergänge, andere Morgenröten, andere Sternennächte...

Sie wissen nicht, was tun. Stumm fliegen sie herum, ratlos, ziellos, wie Ameisen durcheinander wimmeln, wenn ein Kind ihre Bahn zertrampelt. Sie wagen es nicht, die Neue Straße auf und ab zu schwirren, in unbeirrbar gradlinigem Schwung, mit jenem eleganten Schwenk am Ende; trauen  sich nicht in ihre Nester im Brunnengemäuer; haben nicht die Ruhe, sich niederzulassen auf den Telegraphendrähten, die der Nordwind zum Summen bringt, auf den Notenlinien ihre klassische Partitur, flankiert von den weißen Isolatoren ...  
Sie werden erfrieren, Platero!



Nun geh ich mal runter in meine "Werkstatt" und werde meinen Platero No. 3 vollenden, 
damit ich euch diese Werk beim nächsten Post dann zeigen kann.


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